Anfrage zum Abriss des "Maculan-Hauses" im Wiener Gemeinderat vom 3.9.2002

und Antwort von Wohnbaustadtrat Werner Faymann (SPÖ) vom 10.Oktober 2002 (GZ: PGL 3918/2002/Cse/Zim)

 

A N F R A G E

der Gemeinderäte David ELLENSOHN und Günter KENESEI (GRÜNE)

an den Herrn amtsführenden Stadtrat der Geschäftsgruppe Stadtentwicklung und Verkehr, DI Rudolf SCHICKER sowie an den Herrn amtsführenden Stadtrat der Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung, Werner FAYMANN

betreffend Abriss des sog. "Maculan-Hauses" in 1130 Wien, Feldmühlgasse 9


B E G R Ü N D U N G

Am 28. und 29. Juni 2002 wurde in einer Nacht- und Nebelaktion, unmittelbar zu Beginn der Urlaubssaison, das um 1860 errichtete und zum Ensemble der sogenannten "Klimt-Villa" gehörende Haus in der Feldmühlgasse 9 (Unter Sankt Veit) abgerissen, obwohl es in einer vom Wiener Gemeinderat am 17.März 2000 beschlossenen Schutzzone (Plandokument Nr. 7285) liegt. Das Grundstück gehörte zum Zeitpunkt des Abbruchs laut Grundbuch Herrn DI Alexander Maculan.

Eine Baubewilligung gemäß § 60 Wr. Bauordnung war offensichtlich nicht vorhanden. Als besorgte Anrainer am 29.Juni bei der MA 37 anriefen, soll dort lediglich ein Beamter aus dem 22.Bezirk als Permanenzingenieur erreichbar gewesen sein, der angeblich nicht feststellen konnte, ob das Gebiet in einer Schutzzone liegt oder nicht.

Da das sogenannte "Maculan-Haus" noch stärker als die (1923 umgebaute) "Klimt-Villa" dem damaligen Gebäude ähnelte, in dem sich von 1912 bis 1918 Gustav Klimts letztes Atelier befand, und da es konkrete Überlegungen zur Nutzung des Areals der "Klimt-Villa" von interessierten und engagierten BürgerInnen und Vereinen gab und gibt, stellt der Abbruch eines Teils des Ensembles in der Feldmühlgasse, das bereits weit über die österreichischen Grenzen hinaus Beachtung gefunden hat, einen besonders kulturverachtenden Akt dar.

Um ähnliche Eingriffe in Zukunft zu verhindern, müssen die Vorgänge restlos aufgeklärt werden. Auch sollte durch eine entsprechende Anpassung der gesetzlichen Bestimmungen eine wirkungsvolle Hemmschwelle für "Nachahmungs-Täter" geschaffen werden.


Die gefertigten Gemeinderäte stellen daher gemäß § 31 der Geschäftsordnung für den Gemeinderat der Stadt Wien folgende

A N F R A G E:

ANTWORT:

Sehr geehrter Herr Gemeinderat!

Zu Ihrem in der Sitzung des Gemeinderates vom 4.September 2002 eingebrachten Antrag betreffend Abriss des sogenannten "Maculan-Hauses" in 1130 Wien, Feldmühlgasse 9, kann ich nach Einholung von Stellungnahmen der damit befassten Magistratsdienststellen Folgendes berichten:

 

1. Wer veranlasste den Abbruch des Hauses Feldmühlgasse 9 am 28./29.Juni 2002?

ANTWORT:

Zu 1.: Auftraggeber für den Abbruch des Hauses 13., Feldmühlgasse 9 war die Firma Hietzinger Neubau Bauträger GesmbH, Chwallagasse 2/6, 1060 Wien (Geschäftsführer ist Herr Alireza Almassi).

 

2. Welche Firma führte diesen Abbruch durch?

ANTWORT:

Zu 2.: Mit den Abbrucharbeiten wurde die Firma Cento BauführungsgesmbH, Kinzerplatz 24/1/14, 1210 Wien beauftragt.

 

3. Gab es für den Abbruch eine für Schutzzonen erforderliche Baubewilligung gemäß § 60 Abs. 1 Lit. d) Wr. Bauordnung?

ANTWORT:

Zu 3.: Die für einen Abbruch in einer Schutzzone erforderliche Baubewilligung gemäß § 60 Abs. 1 lit. d der Bauordnung für Wien (BO) ist nicht vorgelegen und war auch nicht beantragt.

 

4. Wenn nein:

a) Wurde gemäß § 135 BO (Höchstrahmen: 21.000 Euro Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen) eine Strafe verhängt?

b) In welcher Höhe?

c) Über wen?

ANTWORT:

Zu 4.: Gegen den Geschäftsführer der Auftraggeberin, Herrn Alireza Almassi und gegen die ausführende Baufirma Cento BauführungsgesmbH wurde vom Magistratischen Bezirksamt für den 13. und 14. Bezirk eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von jeweils € 4.620,-- rechtskräftig verhängt. Das Verwaltungsstrafverfahren gegen Herrn Paul Hofer (er hat die Abbrucharbeiten im Auftrag der Firma Cento durchgeführt) wurde eingestellt, da er nicht Auftraggeber oder Bauführer, sondern nur Gehilfe der Baufirma war.

 

5. Wurde der MA 37 gem. § 62a Abs. 5 BO zur Kenntnis gebracht, dass auf besagtem Grundstück ein Abbruch vorgenommen werden soll?

Wenn ja:

a) Wann, durch wen und in welcher Form?

b) Wurde in diesem Fall die MA 19 informiert? Wenn ja, wann?

c) Welche Reaktion gab es seitens der MA 19?

ANTWORT:

Zu 5.: Der Magistratsabteilung 37, Bezirksstelle für den 13. Bezirk wurde am 26. Juni 2002 von der Hietzinger Neubau Bauträger GesmbH eine Abbruchbeginnsanzeige übermittelt. Da das Gebäude in einer Schutzzone lag, war der Bauführer dadurch aber nicht berechtigt, das Gebäude ohne entsprechende baubehördliche Bewilligung abzutragen. Die Magistratsabteilung 19 wurde nicht informiert, da – wie erwähnt – kein Ansuchen um Abbruchbewilligung eingereicht wurde.

 

6. Gab es Versuche seitens der Behörde, den Abriss in der Schutzzone zu stoppen?

a) Wenn ja: Welche?

b) Wenn nein: Warum nicht?

ANTWORT:

Zu 6.: Am Samstag, den 29. Juni 2002, wurde der Permanenzingenieur der Stadtbaudirektion um 11.00 Uhr telefonisch von einem Anrainer gefragt, ob für die am Vortag, Freitag den 28. Juni 2002 auf der Liegenschaft 13., Feldmühlgasse 9 begonnenen Abbrucharbeiten eine Abbruchbewilligung vorliegt. Der Anrufer hat gleichzeitig mitgeteilt, dass dieses Objekt in einer Schutzzone liegt, aktuell aber keine Arbeiten mehr durchgeführt werden. Der Einschreiter wurde darüber informiert, dass seitens des Permanenzingenieurs eine Einsichtmöglichkeit in das Protokoll der Magistratsabteilung 37 nicht besteht (sodass außerhalb der Amtszeit der Magistratsabteilung 37 das Vorliegen einer Abbruchgenehmigung durch Einsicht in das Protokoll nicht überprüft werden kann). Dem Anrufer wurde vom Permanenzingenieur aber mitgeteilt, dass eine Baueinstellung sofort erfolgen kann, wenn die Abbrucharbeiten fortgesetzt werden sollten. Da sich laut Aussage des Anrufers zu diesem Zeitpunkt niemand auf der betreffenden Liegenschaft befand, war aktuell keine weitere Veranlassung erforderlich. Kurz nach 16.00 Uhr desselben Tages meldete sich ein weiterer Anrufer beim Permanenzingenieur und gab bekannt, dass auf der gegenständlichen Liegenschaft ein Abbruch erfolgt. Der Permanenzingenieur hat daraufhin sofort die Polizei ersucht die Anzeige zu verifizieren bzw. vor Ort das Vorliegen einer baubehördlichen Abbruchsgenehmigung zu überprüfen und ihn für eine gegebenenfalls erforderlichen Einstellung der Arbeiten zu verständigen. Als die Polizei vor Ort eintraf, war das Objekt allerdings bereits abgebrochen (es waren nur noch Mauerreste vorhanden).

Der Permanenzingenieur hat am darauffolgenden Werktag (Montag, den 1. Juli 2002) die Magistratsabteilung 37, Bezirksstelle für den 12. und 13. Bezirk, über den Sachverhalt informiert, die noch am selben Tag einen Ortsaugenschein vorgenommen hat. Der angetroffene Baggerfahrer wurde angewiesen, unverzüglich erforderliche Sicherungsmaßnahmen vorzunehmen. In weiterer Folge hat die Magistratsabteilung 37 Strafanträge beim Magistratischen Bezirksamt für den 13. Bezirk gestellt.

Bei Abbrucharbeiten kann eine unmittelbare Einstellung der Arbeiten nur während der tatsächlichen Durchführung dieser Arbeiten erfolgen. Da weder die Magistratsabteilung 37, Bezirksstelle für den 12. und 13. Bezirk, noch der Permanenzingenieur zum Zeitpunkt des eigentlichen Abbruches des Gebäudes am 28. Juni 2002 nachmittags verständigt wurden, war eine baupolizeiliche Einstellung dieser Abbruchtätigkeit auch nicht möglich.

 

7. Stimmt es, dass am Samstag, den 29.Juni 2002, zur Zeit des Abbruches, in der MA 37 lediglich ein ortsunkundiger Permanenzingenieur erreichbar war, der nicht in der Lage war, die Tatsache der Gültigkeit einer Schutzzone auf dem betroffenen Grundstück verbindlich festzustellen?

ANTWORT:

Zu 7.: Außerhalb der Dienstzeit der Magistratsabteilung 37 führt der Permanenzingenieur der Stadtbaudirektion baupolizeiliche bzw. technisch unbedingt notwendigen Maßnahmen durch. Bei rechtzeitiger Verständigung am Freitag dem 28. Juni 2002 hätte er auch eine Baueinstellung entsprechend den Bestimmungen der Bauordnung für Wien verfügen können. Dem Permanenzingenieur steht an seinem Dienstsitz (Feuerwehr 1., Am Hof 7) ein PC zur Verfügung, mit dem er über das Intranet der Stadt Wien Grundstücksdaten, Bebauungsbestimmungen und das Vorliegen einer Schutzzone abfragen kann. Er kann allerdings nicht über das Protokoll der Magistratsabteilung 37 abfragen, ob bzw. in welchem Umfang baubehördliche Bewilligungen vorliegen. (vgl. auch Punkt 10)

 

8. Wenn ja: Halten Sie diese Situation, die ein Eingreifen der Stadt Wien gegen illegale Abbrucharbeiten in Schutzzonen an Wochenenden verunmöglicht, für befriedigend, auch im Hinblick auf die Beispielswirkung? Wie gedenken Sie diesen Zustand in Hinkunft zu verändern?

ANTWORT:

Zu 8.: Durch die Einrichtung des Permanenzingenieurs der Stadtbaudirektion ist – wie bereits zu Punkt 7. festgestellt – sichergestellt, dass auch außerhalb der Dienstzeit Baueinstellungen rasch verfügt werden können. Im gegenständlichen Fall hat der Permanenzingenieur jedoch erst am Samstag den 29. Juni 2002 erfahren, dass ein Gebäude in einer Schutzzone abgetragen wurde. Bei einer sofortigen Erhebung durch die Polizei in seinem Auftrag wurde festgestellt, dass die Abbruchsarbeiten nahezu abgeschlossen waren. Eine permanente "Überwachung" von Objekten dahingehend, ob allenfalls ohne entsprechende baubehördliche Bewilligung begonnene Arbeiten am Wochenende wieder aufgenommen werden, ist aber aus nahvollziehbaren Gründen nicht möglich.

 

9. Welche Möglichkeiten hat die Baupolizei derzeit, außerhalb der Amtsstunden die Gültigkeit einer Schutzzone festzustellen?

ANTWORT:

Zu 9.: Sowohl die Magistratsabteilung 37 – Baupolizei, als auch der Permanenzingenieur können jederzeit über das Intranet der Stadt Wien feststellen, ob für eine bestimmte Liegenschaft eine Schutzzone festgesetzt ist.

 

10. Wie kann von Seiten der Behörde außerhalb der Amtsstunden zweifelsfrei festgestellt werden, ob ein Abbruch rechtmäßig erfolgt oder nicht?

ANTWORT:

Zu 10.: Gemäß § 60 Abs. 1 lit. d BO ist für den Abbruch von Gebäuden oder baulichen Anlagen nur in Schutzzonen und Gebieten mit Bausperre eine Bewilligung der Behörde zu erwirken (ansonsten sind Abbrüche gemäß § 62a Abs. 1 Ziff. 2 BO baubehördlich bewilligungsfrei).

Der Permanenzingenieur der Stadtbaudirektion kann auch außerhalb der Amtsstunden mittels Intranet über das Grundstücksinformationssystem der Stadt Wien feststellen, ob eine Schutzzone festgesetzt ist. Gemäß § 127 BO haben auf der Baustelle die Baubewilligungen aufzuliegen. Liegt diese nicht vor, kann der Permanenzingenieur der Stadtbaudirektion davon ausgehen, dass der Abbruch in der Schutzzone nicht rechtmäßig erfolgt (und wird allfällige Arbeiten baupolizeilich einstellen).

 

11. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass das abgerissene Haus von dem für den Abriss Verantwortlichen in der selben Form wiederhergestellt wird?

12. Wenn nein: Warum nicht?

ANTWORT:

Zu 11. und 12.: Die Bauordnung für Wien enthält keine Regelungen, zufolge derer die Wiederherstellung eines vorschriftswidrig abgetragenen Gebäudes (auch wenn es in einer Schutzzone liegt ) behördlich vorgeschrieben und durchgesetzt werden kann.

 

13. Halten Sie die derzeitigen Bestimmungen der Bauordnung, insbesondere § 129 Abs. 10 zur Wiederherstellung (Versetzen der Gebäude in stilgerechten und den Bebauungsbestimmungen entsprechenden Zustand) und § 135 zum Strafrahmen, für geeignet, potenzielle Bauspekulanten von illegalen Abbrüchen in Schutzzonen wirkungsvoll abzuhalten?

14. Wenn nein: Werden Sie sich für eine Verschärfung der Bestimmungen einsetzen?

ANTWORT:

Zu 13. und 14.: Die Bestimmungen der Bauordnung, insbesondere § 129 Abs. 10 BO zielen nicht darauf ab, nach vorschriftswidriger Abtragung eines Gebäudes die Wiedererrichtung des Gebäudes behördlich vorzuschreiben. Bei einer dahingehenden Novellierung der Bauordnung wäre es ja erforderlich, alle Objekte in Schutzzonen detail- und maßgetreu zu dokumentieren um im Falle eines Wiederherstellungsauftrages die verwaltungsrechtlich erforderliche Konkretisierung des Auftrages vornehmen zu können.

Zum angesprochenen Strafrahmen des § 135 BO ist festzustellen, dass dieser normalerweise ausreicht, um vorschriftswidrigen Abbrüchen vorzubeugen. Die Zuständigkeit für die Verhängung von Verwaltungsstrafen liegt jedoch nicht im Bereich der Geschäftsgruppe Wohnen, Wohnbau und Stadterneuerung.

 

15. Werden Sie sich dafür einsetzen, dass bei illegalen Abbrucharbeiten in Schutzzonen eine unbefristete Bausperre über die betreffende Liegenschaft gesetzlich verhängt werden kann?

16. Wenn nein: Warum nicht?

ANTWORT:

Zu 15. und 16.: Die (gesetzliche) Verhängung einer unbefristeten Bausperre im Falle vorschriftswidriger Abbrüche in Schutzzonen erscheint nicht zielführend. Zum einen könnten "Bauspekulanten" rechtzeitig vor derartigen Abbruchaktionen eine bescheidmäßige Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen erwirken, welche dann 1 Jahr gültig ist (in diesem Zeitraum können auf Basis dieses Bescheides jedenfalls Bauansuchen eingebracht werden, die von einer Verhängung der Bausperre unberührt bleiben). Zum anderen kann eine Bausperre nicht längerfristig aufrecht erhalten werden, das nur zu brachliegenden Flächen führen würde.


17. Wer ist der derzeitige grundbücherliche Eigentümer der Liegenschaft Feldmühlgasse 9?

ANTWORT:

Zu 17.: Laut Grundbuchstand vom 11. September 2002 ist Herr Dipl.-Ing. Alexander Maculan grundbücherlicher Eigentümer der Liegenschaft 13., Feldmühlgasse 9.

 

18. Hat es seit Juli 2002 einen Eigentümerwechsel gegeben?

ANTWORT:

Zu 18.: Seit Juli 2002 hat es keinen grundbücherlichen Eigentümerwechsel gegeben.

 

19. Gibt es ein laufendes Bauansuchen für das Grundstück Feldmühlgasse 9?

20. Wenn ja: Von wem?

ANTWORT:

Zu 19.: Für die Liegenschaft 13., Feldmühlgasse 9 ist laut Protokollstand vom 11. September 2002 kein Bauansuchen eingebracht worden.


Wien, am 3. September 2002 (eingebracht am 4.September 2002, PGL/03918/2002/0001-KGR/GF)

 

Planungsstadtrat DI Rudolf Schicker, an den die Anfrage ebenfalls gerichtet war, verwies in seiner Antwort vom 21.Oktober 2002 "auf die Beantwortung von amtsführenden Stadtrat Werner Faymann vom 10. Oktober 2002".