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Protest gegen Dollfuß-Gedenkveranstaltung in Hietzing

Für Unverständnis bei DemokratInnen nicht nur aus dem linken Lager sorgte eine Veranstaltung, die per Aussendung über die Hietzinger Bezirksvorstehung angekündigt und mit folgenden Worten angepriesen wurde:

"Die Exulanten des öffentlichen Stiftsgymnasiums Seitenstetten (1938) laden ein zur Hietzinger Gedenkstunde für Bundeskanzler Dr. Engelbert Dollfuß
7. Mai 2004, 17.00 Uhr großer Festsaal im Amtshaus Hietzing (...)
Anlässlich des bevorstehenden 70. Todestages des Bundeskanzlers wird Regierungsrat Dr. Franz Trischler auf Grundlage seiner Jugenderinnerungen und an Hand zahlreicher großformatiger Fotos das Leben, Wirken und Sterben des Bundeskanzlers schildern und versuchen, die Bedeutung des Kanzlers für die Gegenwart darzustellen. (...)
Führung durch das Parlament. Mag. Walter Tancsits, Abg. z. Nationalrat, ist der Gatte der Enkelin des Bundeskanzlers Dr. Dollfuß. Er wird am 8. Mai 2004 um 10.00 Uhr durch das Parlamentsgebäude führen. Hierbei gibt es Gelegenheit zu einer allgemeinen Diskussion."


Für Unmut sorgte die Tatsache, dass ÖVP-Bezirksvorsteher Gerstbach den Großen Festsaals des Amtshauses gratis zur Verfügung gestellt hat. Diese Subvention aus Steuergeldern muss als politische Unterstützung gewertet werden, da der Festsaal im Hietzinger Amtshaus wird nur dann Initiativen zur Verfügung gestellt, wenn der Bezirksvorsteher genau über die geplante Veranstaltung Bescheid weiß und persönlich sein Einverständnis erklärt!

Am 6. Mai forderten die Hietzinger Grünen, Gemeinderat David Ellensohn und die Alternativen und Grünen GewerkschafterInnen (AUGE), wie zuvor auch schon die SPÖ, von Bezirksvorsteher Gerstbach, die Zusage des Saals im Amtshaus rückgängig zu machen und sich klar und eindeutig von der Politik und Geisteshaltung des austrofaschistischen Ständestaats distanzieren. Doch wie erwartet und befürchtet fand die Dollfuß-Veranstaltung trotzdem statt - doch nicht ohne Gegentöne.

Vor dem Amtshaus demonstrierten am Freitag, den 7. Mai AktivistInnen von SJ, SPÖ, Grünen, AUGE und anderen linker Gruppen sowie Parteilose gegen die Provokation. Der Schauspieler Hubsi Kramar rezitierte aus der berüchtigten Trabrennplatzrede, die Dollfuß am 11. September 1933 gehalten hatte. Für Schmunzeln sorgten Passagen über die Konzeption des Ständestaats, in dem alle sozialen Gegensätze beim gemeinsamen Arbeiten und Rosenkranz-Beten verschwinden sollten. Die "Bedeutung des Bundeskanzlers für die Gegenwart" drängte sich bei einigen Zitaten, zieht man/frau den Vergleich mit einigen Aspekten der Politik der Regierung Schüssel heran, förmlich auf. Plakate und Verkleidungen der SJ-AktivistInnen brachten dies pointiert zum Ausdruck.

Wieso ausgerechnet im öffentlichen Amtshaus Hietzing dem einstigen christlichsozialen Bundeskanzler und nachmaligen austrofaschistischen Diktator Dollfuß gedacht wird, bleibt ein Rätsel. Immerhin wurde z.B. am 14. Februar 1934 ein Hietzinger Arbeiter, Karl Münichreiter, Kompaniekommandant des sozialdemokratischen Schutzbundes, obwohl schwer verwundet, aufgehängt - eine der "Heldentaten" des (später bei einem Nazi-Putsch ermordeten) Engelbert Dollfuß.

Noch provokanter ist allerdings eine Parlaments-Führung zum Andenken an Dollfuß, war doch genau dieser durch das gewaltsame Verhindern des Zusammentretens des Parlaments im Jahr 1933 zum Totengräber der Demokratie in Österreich geworden! Peter Pilz forderte denn auch vom 1. Nationalratspräsidenten (und Hietzinger ÖVP-Politiker) Andreas Khol eine Absage des Rundgangs und griff zur Aktionsform eines "alternativen Rundgangs" mit Aufklärung über die Rolle von Dollfuß.

Liberal denkende und aufgeklärte ÖVP-Mitglieder werden sich wohl über den zunehmenden Rechtsruck ihrer Partei Gedanken machen und hoffentlich auch entsprechende Konsequenzen ziehen.

Gerhard Jordan

 

 
"Rot-grüne" Kundgebung vor dem Amtshaus


Drinnen im Festsaal


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