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"Du bist jetzt eine schulfremde Person!" sagten mir sogar FreundInnen mit
ernsthaftem Blick, als ich gewahr wurde, dass einigen KollegInnen - und vor
allem dem Direktor - meine Kurzbesuche in der Schule, übrigens immer verbunden
mit ganz konkreten Erledigungen, nicht passten. "Der Direktor kann dir sogar
Hausverbot geben", informierte man mich weiter. Das veranlasste mich dann doch,
in das "Das österreichische Schulrecht" von Jonak-Kövesi Einblick zu nehmen.
Ich fand dort keinen Eintrag zu "schulfremder Person", ich stieß nur auf "schulfremde
Veranstaltungen" (wobei nur erklärt wurde, was das nicht ist) und auf "schulfremde
Werbung", die seit der Schulautonomie unter gewissen Auflagen erlaubt ist. Daraufhin
begab ich mich ins Internet und bekam ein Formular für die Registrierung außerschulischer
Veranstaltungen geliefert, wo "schuleigene" (LehrerInnen) und "schulfremde"
(offenbar Begleitmütter und -väter) Personen vorgesehen waren.
Da war ich also 34 Jahre Lehrerin an (m)einer AHS, habe nicht nur in den Klassenräumen
unterrichtet, sondern auch das Schultheater aufgebaut, EU-Projekte begleitet,
Reisen mit den SchülerInnen unternommen und bis zu meiner Pensionierung am 1.September
2004 (und darüber hinaus) bei "Step by Step", einem Schulpartnerschaftsprojekt,
mitgewirkt - und jetzt wollen mich einige, vor allem aber der Direktor, am liebsten
gar nicht mehr in der Schule sehen? "Aber nein", sagen andere, "wir freuen uns,
wenn du kommst! Du tust ja auch noch immer etwas für die Schule." Ja, natürlich,
soeben betreute ich eine Theateraufführung zu Gunsten von "Step by Step", was
einiges einbrachte, und im Herbst 2004 hatten wir die 100 Jahr-Feier, an der
ich trotz Pensionierung aktiv beteiligt war. Warum darf ich mich nicht einem
natürlichen Prozess überlassen, wo die Bindungen an meine Schule ganz von selbst
von Jahr zu Jahr lockerer werden?
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Auf meiner Suche nach Erklärungen dachte ich einmal mehr über die Schulorganisation
in Österreich nach. Ich gebe zu, es ist seit Jahrzehnten ein besonderes Thema
für mich, auf das ich auch in meiner vorjährigen Abschiedsrede vor dem Lehrkörper
Bezug nahm. Als junge Lehrerin begriff ich nämlich sehr bald, dass SchuldirektorInnen
eigentlich auf Zeit gewählt werden (wie beispielsweise der Bundespräsident)
und danach wieder als LehrerInnen tätig sein sollten. Das würde eine ganz andere
Atmosphäre schaffen und das Verhältnis zwischen LehrerInnen und DirektorIn verändern.
In den Schulen herrscht noch immer das Modell der Monarchie, indem der Direktor
auf Dienstzeit bestellt wird. Seit einigen Jahren muss er/sie zwar alle 5 Jahre
bestätigt werden, aber nur von der Schulaufsichtsbehörde; die Schulgemeinschaft
erfährt nichts davon. Da muss ein Direktor/eine Direktorin sich schon schwerste
Verfehlungen zu Schulden kommen lassen, dass eine Ablöse überhaupt in Betracht
gezogen wird. Aber darum geht es nicht - es geht um ein demokratisches Prinzip,
das im Schulbereich noch immer viel zu wenig umgesetzt ist. Andere Länder sind
da viel weiter als wir.
Mit meiner oben dargestellten Geschichte hat das insofern etwas zu tun, als
ich immer für die Umsetzung demokratischer Prinzipien in der Schule eingetreten
bin und mich bei machtbewussten AmtsträgerInnen und KollegInnen nicht beliebt
gemacht habe. Als vor etwa 8 Jahren die Möglichkeit des Hearings vor Neubestellungen
von DirektorInnen eingeführt wurde, gab es neben wenigen Pro-Stimmen in meiner
Schule Äußerungen wie: "Ich möchte da gar nicht mitbestimmen, weil ich mich
nicht kompetent fühle. Soll die Behörde das entscheiden!" Über so wenig Zutrauen
zur eigenen Entscheidungsfähigkeit und so wenig Realitätssinn konnte ich mich
nur wundern. Wir hatten dann trotz dieser einigermaßen verbreiteten Einstellung
ein Hearing, das mehr eine Geste und ein Zeichen für die Zukunft darstellte
als einen bestimmenden Faktor in der Gegenwart. Seit Mitte der 90-er Jahre gibt
es außer dem (freiwilligen) Hearing auch (verpflichtende) Objektivierungsverfahren,
denen sich BewerberInnen um DirektorInnenposten unterziehen müssen. Aber entscheidend
ist noch immer, wie im politischen Hintergrund die Fäden gezogen werden. Darauf
machte ich vor 8 Jahren - meine Schule betreffend - nachdrücklich (sogar medial)
aufmerksam, und schließlich kam es aus gegebenem Anlass (nach einigem Zögern
zwar) sogar zu einem offiziellen Protest meiner Schule gegen eine Entscheidung
des Stadtschulrates. Aber das waren Schläge ins Wasser, es geschah so ("Die
Presse" informierte u. a. damals darüber), wie es die großen politischen Fraktionen
im Stadtschulrat ausgehandelt hatten. Und die haben auch kein Interesse, dass
sich etwas ändert, denn so können sie am besten ihre Machtpositionen im Schulbereich
behaupten.
Die jetzige Entwicklung richtet sich sogar gegen die Demokratisierung, für die
es schon gute Ansätze gegeben hätte. Zum Beispiel dürfen Schulen seit Mitte
Juni nur mehr eine Stellungnahme zu den KandidatInnen abgeben und keine zwei
BewerberInnen mehr ins Rennen um die Schulleitung schicken, wie es vorübergehend
gestattet war. Weiters soll die Schulautonomie nicht etwa dadurch verstärkt
werden, dass Personalvertretung und Schulgemeinschaftsausschuss mehr Mitspracherecht
bei der Bestellung von LehrerInnen haben, sondern dass der/die DirektorIn sich
seine/ihre LehrerInnen selbst aussuchen kann. In Kombination mit der Abschaffung
der Pragmatisierung ist das ein Schritt in Richtung Schulabsolutismus, also
ein echter Rückschritt. Ich habe immer die Ansicht vertreten, dass die Pragmatisierung
nur dann abgeschafft werden darf, wenn die DirektorInnen auf Zeit gewählt werden.
Das vielgepriesene PISA-Finnland hat Anfang der 90-er Jahre die SchulinspektorInnen
abgeschafft, bei uns spielen sie - neben anderen Funktionen - enklaveartig noch
immer die Königsmacher, wobei vor allem - wie oben erwähnt - politische Aspekte
maßgeblich sind.
Diese Entwicklung passt zu anderen Vorgängen, die wir derzeit in unserem Staat
beobachten können: über die BürgerInnen drüberfahren, Neoliberalismus in der
Wirtschaft, Konservativismus in den Anschauungen. Dazu passt auch, dass die
Ressourcen von unbequemen PensionistInnen gar nicht gefragt sind, weil man beim
Aufbau seines Imperiums nicht gestört und irritiert werden will; die jungen
KollegInnen sollen nach Möglichkeit gar nicht von solchem Gedankengut infiziert
werden, als ob sie nicht selbst mit wachen Augen und Ohren auf solche Zusammenhänge
kommen könnten. Als ich gestern früh mit einem deutschen Ehepaar beim Frühstück
saß und von unserer erfolgreichen Theateraufführung, deren Erlös dem Schulpartnerschaftsprojekt
zugute kam, erzählte, sagte die Frau: "Da wird Ihre Schule ja froh sein, wenn
Sie als Pensionistin noch so viel zum Schulbetrieb beitragen!" Ich trank gerade
aus meiner Kaffeetasse und hätte mich fast verschluckt.
Lore Brandl-Berger
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DR. LORE BRANDL-BERGER unterrichtete 34 Jahre an einem Hietzinger Gymnasium, ihre Fächer waren Deutsch, Turnen und Darstellendes Spiel. Sie wohnt seit Jahrzehnten im 13. Bezirk, wo auch die Familie ihrer Mutter ansässig war. Lore Brandl-Berger hat eine Tochter und drei Söhne. Schon lange gehörte sie zu den SympathisantInnen der Grünen, hatte aber vor ihrer Pensionierung wegen ihres beruflichen Engagements keine Zeit zur Mitarbeit. Bei der Wahl im Herbst 2005 war sie Kandidatin der Grünen für die Bezirksvertretung. |
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In der Juni-Sitzung des Kollegiums im Stadtschulrat haben SPÖ
und ÖVP die Mitspracherechte der Schulen bei der Bestellung von Leiterfunktionen
kräftig zurückgeschnitten. Bisher hatten die Schulpartner das Recht zwei BewerberInnen
ins objektivierte Verfahren zu schicken. Damit ist jetzt Schluss. Ab sofort
regiert das Parteibuch wieder uneingeschränkt.
In Anbetracht der öffentlichen Diskussion in den letzten Jahren ist das ein
völlig unbegreiflicher Schritt in die falsche Richtung. Wien braucht die Besten
an der Spitze der Schulen, um der Schulentwicklung eine Chance zu geben. Stadtschulratspräsidentin
Brandsteidl schadet dem Wiener Schulsystem, ihr Motto lautet offensichtlich:
"Zurück in die Steinzeit des Proporzes".
Susanne Jerusalem
Siehe auch in "Über Hietzing hinaus": In
die Bildung investieren!
Seite geändert am 30 Dezember, 2005 / Home / Kontakt: hietzing@gruene.at, Tel. 4000 / 81 832