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Wirtschaftskammer:
Grüner Stachel im schwarzen Fleisch



"Nach der Wahl im März werden wir einen ziemlich großen, grünen Stachel im schwarzen Fleisch der Wirtschaftskammer sitzen haben" kündigte Alexander Van der Bellen beim Wahlkampfauftakt der "Grünen Wirtschaft" an.
Obwohl der ÖVP-Wirtschaftsbund bei der Wirtschaftskammerwahl vom 12.-15. März 2005 österreichweit 2,4 Prozentpunkte zulegen konnte, traf die Prognose zumindest in Wien zu: Trotz des Debakels des freiheitlichen RFW musste auch der Wirtschaftsbund Verluste hinnehmen und konnte die traditionelle absolute schwarze Stimmenmehrheit mit 50,5% nur noch ganz knapp halten. In zahlreichen Fachgruppen "wackeln" nun die Vorsteherposten des Wirtschaftsbunds, da in Wien neben den Grünen (von 5,7% im Jahr 2000 auf 9,2% diesmal), die zur drittstärksten Kraft wurden, auch der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband (nunmehr 30% der Stimmen) starke Gewinne verzeichnete.

Gegenmodell zu Schwarz, Blau und Rot

In ihrer Programmatik und ihren Forderungen unterscheidet sich die "Grüne Wirtschaft" von allen drei traditionellen Fraktionen und von der offiziellen Kammerpolitik:

Beispiel Nahversorgung: Statt das Wuchern von Groß-Einkaufszentren mit Autobahnanschluss hinzunehmen und durch entsprechende Widmungen zu unterstützen, fordert die Grüne Wirtschaft nachhaltige Formen der Nahversorgungsförderung (inklusive fußgängerInnenfreundlicher Gestaltung des Straßenraums und Verkehrserregerabgaben).

Beispiel Steuerpolitik: Der Kurs der schwarz-blauen Regierung wird abgelehnt, da er vor allem den Großkonzernen zu Gute kommt: KleinstunternehmerInnen und "neue Selbstständige" profitieren weder von der Senkung der Körperschaftssteuer noch von der Absetzmöglichkeit von Verlusten ausländischer Tochtergesellschaften. Statt dessen müssen reine Spekulationsgewinne effektiver erfasst werden, eine ökosoziale Steuerreform soll die Steuerlast auf menschliche Arbeitskraft senken.

Beispiel Umweltpolitik: Die Grüne Wirtschaft bekämpft als einzige Fraktion vehement die anti-ökologischen Rundumschläge der Wirtschaftskammer, sei es bei der Beschneidung der Umweltverträglichkeitsprüfung, beim Abwürgen nachhaltiger Einspeisetarife für erneuerbare Energien oder beim Lobbying gegen jede Art von vernünftiger Einschränkung des LKW-Transitverkehrs. Die beiden nunmehr gewählten MandatarInnen Volker Plass und Ruperta Lichtenecker werden diese Auseinandersetzungen auch im Parlament der Bundeswirtschaftskammer führen und zuspitzen.

Beispiel Dienstleistungsrichtlinie: Auf Initiative des ehemaligen EU-Kommissars Frits Bolkestein wird derzeit ein Richtlinienentwurf zur Freizügigkeit der Dienstleistungen im EU-Binnenmarkt diskutiert. Wäre sie in der ursprünglich geplanten Form durchgegangen, so hätte dies zur Folge gehabt, dass für jedes Dienstleistungsunternehmen in der EU das jeweilige Recht des Herkunftslandes gegolten hätte. Führt also z.B. ein litauischer oder slowakischer Bauunternehmer einen Auftrag in Österreich durch, so hätten für ihn einzig und allein die rechtlichen Bestimmungen von Litauen oder der Slowakei gegolten. Es ist unschwer vorauszusehen, dass dies dazu geführt hätte, dass viele Großunternehmen gerade dort Niederlassungen gründen, wo die schlechtesten sozialen Standards gelten - mit den entsprechenden Folgen sowohl für die von Arbeitslosigkeit bedrohten Beschäftigten in Österreich als auch für die gegen die Billigkonkurrenz chancenlosen Klein- und Mittelunternehmen. Aus Wirtschaftskammer und ÖVP war keine Kritik zu hören, es blieb dem konservativ regierten Frankreich vorbehalten, der Richtlinie im letzten Moment die ärgsten "Giftzähne" zu ziehen.

Das Abschneiden der Grünen

Der Grünen Wirtschaft gelang diesmal trotz eines unglaublich komplizierten und kleingruppen-feindlichen Wahlrechts (mit dem sich ausgerechnet jene, die immer den freien Wettbewerb predigen, selber durch bürokratische Maßnahmen Konkurrenz vom Leibe zu halten versuchen!) eine Kandidatur in allen Bundesländern. Der Einzug in die Landes-Wirtschaftskammerparlamente glückte überall außer im Burgenland (in Wien gleich mit 4 Mandaten), bundesweit wurden fast 10.000 Stimmen (4,46%) erreicht.

In Wien wurden in zahlreichen Fachgruppen, vor allem "Zukunfts-Berufen", über 20% der Stimmen erzielt, bei der Audiovisions- und Filmindustrie mit über 45% sogar Platz 1 erobert! In 46 Fachgruppen der WK Wien wird es künftig grüne MandatarInnen geben, bisher waren es 28 gewesen.

Dieses Ergebnis zeigt, dass vor allem in Wien ein immer größerer Teil auch der Geschäftsleute und Wirtschaftstreibenden (ungeachtet der aggressiven ÖVP-Gegenpropaganda) eine ökologische, nachhaltige und sozial gerechte Politik unterstützt.


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