(Adresse dieser Seite: )
Kein Pflegenotstand?


"Es gibt keinen Pflegenotstand."
"Die Medien blasen ein Thema hoch und fragen mich um eine einfache Lösung".
"Man kann nicht bei jedem Problem sofort immer nach dem Staat rufen."

Zitate von Wolfgang Schüssel

Natürlich muss man nicht sofort nach dem Staat rufen, man kann auch eine illegale Pflegerin für die Schwiegermutter um 2 Euro pro Stunde beschäftigen. Die Regierung hat leider jahrelang verabsäumt, ein Konzept für die Versorgung der immer älter werdenden Bevölkerung zu erstellen und leugnet auch noch jetzt den Pflegenotstand, nachdem geschätzte 40.000 PflegerInnen aus den Nachbarländern in Illegalität arbeiten müssen.
Durch das Festhalten an einem konservativ-ideologischen Familienbild wurde die Verantwortung für die Betreuung der alten Menschen den Familien, und dort vor allem den Frauen in die Hände gelegt, was aber durch Doppel- und Dreifachbelastungen und Grenzen der finanziellen Möglichkeiten nahezu unmöglich geworden ist.

Veränderte Lebensformen und die längere Lebenserwartung der Menschen verlangen veränderte Bedingungen in der Pflege. Derzeit werden rund 560.000 ÖsterreicherInnen pflegerisch versorgt, in 20 Jahren werden etwa 800.000 Personen Pflegebedarf haben. Bereits heute besteht in Österreich ein Personalmangel von 1.400 bis 6.500 Vollzeitstellen in der stationären Langzeitpflege und vor allem bei den mobilen Diensten.
Schon lange machen die Grünen und vor allem Gemeinderätin Sigrid Pilz auf einen Pflegenotstand aufmerksam, doch die regierenden Parteien haben sich weder im Bund noch in den Ländern viel darum gekümmert.

Die Zahl der AbsolventInnen in der allgemeinen Pflegeausbildung und der Pflegehilfelehrgänge bleibt trotz steigendem Bedarf nahezu gleich. Es gibt zu wenig Planstellen. Dies zeigt eine Aufstellung im europäischen Vergleich, erstellt von der WHO: Demnach beträgt die Zahl der Krankenpflegepersonen pro 1.000 EinwohnerInnen in Finnland: 21,7, in Norwegen: 20,7, in Deutschland: 9,5, in Frankreich: 6,7 und in Österreich: 5,8.

Der Pflegeberuf leidet an einem schlechten Image (dieses wurde durch fragwürdige Werbespots nicht gerade verbessert) und an schlechter Bezahlung (geringes Grundgehalt, es kann nur durch eine Vielzahl an Nacht- und Feiertagsdiensten eine adäquate Bezahlung erreicht werden). Integrationsfeindliche Regelungen im Bereich des Fremdenrechts haben dazu geführt, dass es kaum Möglichkeiten für zusätzliche legale Beschäftigungsverhältnisse gibt. Das Pflegegeld reicht oft nicht aus.

Die gesetzliche Absicherung der Pflegeombudsstelle wurde von den Grünen gefordert und von Bürgermeister Häupl zugesagt. Trotzdem wurde die Einrichtung von SPÖ-Stadträtin Brauner de facto abgeschafft, weil Dr. Werner Vogt berechtigte Kritik an Missständen übte anstatt zu beschönigen.
Bei der Lösung des Problems des Pflegenotstandes darf nicht vergessen werden, dass es verschiedene Möglichkeiten der Betreuung alter und kranker Menschen gibt: Geriatriezentren, Betreuung durch Angehörige oder Pflege und Betreuung durch Pflegepersonal und Hilfsdienste zu Hause.

Grüne Lösungsvorschläge, wie sie schon lange gefordert werden:
- Ein sinnvolles Neben- und Miteinander von Pflegeeinrichtungen, mobilen Diensten und häuslicher Betreuung von Angehörigen und angestellten Personen ist notwendig, daher Ausbau ambulanter Dienste und Betreuungsangebote, Förderung betreuter Wohnformen mit Einbeziehung mobiler Pflege und Hilfsdienste und begleitende Beratung für pflegende Angehörige.
- Sicherung der finanziellen Erfordernisse, insbesondere bei Menschen mitgeringen Eigenmitteln (Valorisierung und Anhebung des Pflegegeldes, Vorbereitung eines Grundsicherungs-Modells im Alter).
- Einstufung der Pflegeklassen durch Personen des gehobenen Pflegedienstes statt durch ÄrztInnen.
- Schaffung von Pflegesprengeln mit regionalen Stützpunkten in Abstimmung mit stationären Einrichtungen und Spitälern.
- Aufwertung des Pflegeberufs (Anhebung des Grundgehaltes, Ausbildungsabschluss auf Maturaniveau für diplomiertes Pflegepersonal).
- Zukunftsorientiert Ausbildungsplätze schaffen für diplomiertes Personal und PflegehelferInnen, vor allem in Hinblick auf die demografische Entwicklung.
- Legalisierung und Entkriminalisierung der PflegerInnen und Angehörigen.
- Ein Einwanderungsmodell, das den Bereich der Pflege in einem Punktesystem adäquat gewichtet.

Es wird Zeit, dass Pflege endlich die notwendige gesellschaftliche und finanzielle Anerkennung erhält, die sie verdient. Pflegerische Kompetenz mit einem adäquaten medizinischen Backgroundwissen, Einfühlungsvermögen und persönliche Stärke, um mit menschlichem Leid umgehen zu können, sind Qualitäten, die man nicht erzwingen kann - weder als letzten Ausweg für Langzeitarbeitslose noch durch ein verpflichtendes Sozialjahr.

Es ist notwendig in Pflege zu investieren, denn es kann jeden/jede betreffen!

Andrea Diawara


 


Seite geändert am 21 September, 2006 / Home / Kontakt: hietzing@gruene.at, Tel. 4000 / 81 832