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Aus der Schule geplaudert

von Lore Brandl-Berger

Als langjährige ehemalige Gymnasiallehrerin, die jetzt Nachhilfe gibt, weiß ich sehr gut, wie sehr manchmal LehrerInnen unter Arbeitsdruck stehen, und verstehe, dass sie nicht immer dem Gerechtigkeitsanspruch genügen können.

Vor den speziellen Beispielen aus Wiener Schulen außerhalb unseres Bezirks möchte ich auf eine bei LehrerInnen weit verbreitete Schwierigkeit hinweisen: Sie können sehr schwer zugeben, dass sie sich geirrt haben, geschweige denn eine ungerechte Note korrigieren. Handelt es sich dabei um eine negative Jahresnote, können aber die Eltern oder die SchülerInnen, so sie großjährig sind, dagegen beim Stadt- oder Landesschulrat berufen, was von den LehrerInnen fast immer als Ungeheuerlichkeit angesehen wird. Eine meiner Nachhilfeschülerinnen, die ich seit März 2007 unterstütze, hat im Vorjahr gegen eine Note berufen, wurde zurückgewiesen und muss sich diesen Schritt auch jetzt noch in ihrer Schule vorwerfen lassen. Es ging dabei um das Fach Deutsch; das Mädchen, das eine andere Muttersprache hat, wurde bei der Prüfung über Literatur ständig unterbrochen und auf ihre grammatikalischen Fehler beim Sprechen hingewiesen, sie kam gar nicht dazu, ihr Literaturwissen auszubreiten. Die Lehrerin meinte: "Dass du über Literatur Bescheid weißt, ist mir ohnehin bekannt." Die Behörde entschied gegen die Schülerin.

In einem anderen Fall peinigt ein Lehrer die SchülerInnen in einem unvorstellbaren Ausmaß mit Lesekontrollen und Deutsch-Hausübungen. Das ist besonders für die schwachen SchülerInnen ein Problem, da sie es sich im Gegensatz zu guten SchülerInnen nicht leisten können, diese Aufgaben einfach nicht zu machen. Der Lehrer vermiest vielen damit das Fach Deutsch und die Literatur; die bereits damit befasst gewesene Behörde blieb bisher untätig. In einem anderen Fall wurden schwere, leichte und drei hineinkorrigierte (!) Fehler einfach zusammengezählt: Summe 16 Fehler, also 5. In Wirklichkeit waren es nur sechs sogenannte schwere Fehler (5 x Groß- und Kleinschreibung, 1 x "das - dass", keine Satzbaufehler).

Und was sagen Sie zu einer Lehrerin, die von einer großjährigen Schülerin verlangt, sie solle unterschreiben, dass sie auf die Prüfung zwischen 4 und 5 verzichte, und dann diesen Zettel vor der Klasse zerreißt, weil die betreffende Schülerin geschrieben hat: "Ich verzichte auf die Prüfung, weil Sie gesagt haben, dass ich auch bei einer eindeutig positiven mündlichen Prüfung keine Chance auf eine positive Schlussnote habe."? Die Schülerin musste den Verzicht ohne die Begründung unterschreiben, obwohl die Lehrerin wirklich vor der Klasse so gesprochen hatte.

In Finnland, dessen Schulen gut funktionieren, hat man in den 90er-Jahren die SchulinspektorInnen abgeschafft, weil man sie nicht mehr brauchte. Wir haben sie und brauchen sie auch noch, wie Sie an den Beispielen oben sehen können. Manchmal funktioniert die Kontrolle gut, manchmal wollen sich die InspektorInnen aber nicht mit den DirektorInnen und LehrerInnen anlegen. So lange sich an unserem Schulsystem nicht grundlegend etwas ändert, werden wir jedoch diese Kontrolle brauchen. Denn durch die frühe Schulbahnentscheidung und die ständige Angst vor negativen Noten und dem Wiederholen kommt es immer wieder zu Problemfällen, die durch die behördliche Kontrolle wenigstens eingeschränkt werden können. Besser wäre es, die Integration für die Dauer der Schulpflicht einzuführen. Das wäre ein mutiger Schritt mit hohen Anforderungen, der der gesellschaftlichen Realität mehr entsprechen würde als die von Standesrücksichten geprägte Schule, die Außenseitergruppen geradezu provoziert.

Siehe auch frühere Beiträge:
"Aus der Schule geplaudert": Wie geht es weiter nach der Volksschule? - September 2006
Aus der Schule geplaudert - Juni 2006
Aus der Schule geplaudert - März 2006
Aus der Schule geplaudert - September 2005

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