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Es reicht!

Wie geht es Ihnen, wenn Sie derzeit hier in Österreich Nachrichten hören und sehen? Schalten auch Sie nach den Schlagzeilen manchmal das Gerät wieder aus? Ein Skandal nach dem anderen und dazu die Vermutung, dass das nur die Spitze eines Eisberges ist! Die Hoffnung, dass es einmal nichts mehr zu entdecken gibt, schwindet, ebenso die Hoffnung, dass die derzeitigen VerantwortungsträgerInnen in der Gesellschaft aus den Geschehnissen lernen und daraus Konsequenzen ziehen. Nach der offiziellen Sprachregelung sind Kompetenz und Erfahrung die wesentlichen Auswahlkriterien bei der Postenvergabe. Im Hintergrund aber bilden sich Seilschaften nach anderen Grundsätzen: Kritikfähigkeit und Kompetenz sind da weniger gefragt als bedenkenlose Loyalität der eigenen Gruppe gegenüber. Deren Versäumnisse und Fehlverhalten werden heruntergespielt oder ignoriert, dafür lenkt man die mediale Aufmerksamkeit auf Fehltritte des politischen Gegners. Da braucht man es auch mit der Wahrheit nicht so genau zu nehmen: Hauptsache, man vergrößert den eigenen Einflussbereich und schüttet das gegnerische Lager an!

"Umfärbungen" nach dem Farbwechsel eines Ministeriums gehören zum politischen Alltag und werden als sachlich begründete Maßnahmen verkauft, da "strassert" es nur so im Mail-Wald! Gelder fließen über dunkle Kanäle in private Börsen, Parteikassen und Spekulationsgeschäfte; die Betreiber, die dabei verdienen oder verlieren, bleiben - versteht sich - lieber anonym, aber ganz selten werden sie doch aus der Deckung geholt.

Geschätzte/r Leser/in, Sie fragen sich vielleicht auch, wie es möglich ist, dass Mitglieder eines Aufsichtsrates gewagten Finanztransaktionen zustimmen, ohne sie genau zu hinterfragen. Spielt da vielleicht eine Rolle, dass man die eigene, vorteilhafte Position nicht riskieren will? Schließlich sind andere in Betrieb, Unternehmen oder Bank mächtiger und lassen die loyalen, sich unkritisch gebenden KollegInnen am Kuchen mitnaschen. Da wird man sich doch nicht zu weit hinauslehnen! Der Österreicher "denkt sich sein Teil und lässt die andern reden", sagt Grillparzer und meint es positiv - im Sinne von weiser Zurückhaltung. Aber in Entscheidungsgremien, wo jeder seine volle Kompetenz einzubringen hat, besteht absolute Redepflicht, die weder durch Vorteilsdenken noch durch k.u.k. Untertanendenken, das in unserem Land noch immer stark spürbar ist, beeinträchtigt werden darf!

Wir Grünen sind noch keine große Partei und daher den Versuchungen der Macht wesentlich weniger ausgesetzt, aber seien wir wachsam!
Ich wage das Wort "Streit" fast nicht mehr auszusprechen, auch das Wort "Neuwahlen" nicht. Zu oft werfen JournalistInnen diese Wörter genüsslich in Interviews und politische Analysen und nützen sie damit ab. Ja, die Koalitionsparteien streiten, und zwar so sehr, dass die Strategie, dem politischen Gegner das Haxel zu stellen und selbst als arbeits- und konsenswillig dazustehen, immer öfter vergessen wird. Die Opposition kann sich zur Schärfung ihres jeweiligen Profils die Themen aussuchen, es sind genug vorhanden. Bedauerlich, dass ein Teil der Opposition mit Vereinfachungen WählerInnen ins Boot holt, die befriedigt sagen: "DEN versteh' ich wenigstens!".

Manche StaatsbürgerInnen jedenfalls verfolgen mit ohnmächtigem Zorn das öffentliche Spektakel. Außerdem frustriert das Auftreten der Fachleute verschiedener Couleurs, die gegensätzliche Standpunkte jeweils als sachgerecht und unbedingt richtig vertreten. Was denken Sie z.B. über die Steuerreform? Soll man sie um ein Jahr vorziehen oder 2010 belassen? Hohe Staatsschulden verbleiben merkwürdigerweise trotz der guten Konjunktur; für die viel diskutierte Pflege ist nicht genug Geld vorhanden. Haben wir unter diesen Umständen etwas zu verschenken? Eher nicht, aber die Fachleute sind eben verschiedener Meinung, was die Laien verunsichert. Aber wie auch immer, nur "motschkern" und sich im Kritisieren überlegen fühlen ist zu wenig, das Regieren ist schließlich kein leichtes Geschäft. Wenn wir die Politik anders haben wollen, sollen wir auch etwas beitragen und nicht nur kopfschüttelnd das Spektakel verfolgen!

Lore Brandl-Berger


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