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NATO: Stolperstein für Friedenspolitik

In der ersten Hälfte der 1980er Jahre erlebte Europa einen Höhepunkt des Friedensengagements: Hunderttausende gingen in Großbritannien, Italien, Deutschland, den Niederlanden und Belgien auf die Straße, selbst im kleinen Österreich demonstrierten 1982 und 1983 jeweils 70.000 Menschen am Wiener Rathausplatz gegen das Wettrüsten. Hauptanlass für die Proteste war damals der NATO-Beschluss zur Stationierung von Cruise- und Pershing-Raketen in fünf westeuropäischen Ländern.

Große Teile der westlichen Friedensbewegung standen auch der sowjetischen Politik keineswegs unkritisch gegenüber und knüpften Kontakte zu unabhängigen Friedens- und Menschenrechtsgruppen in Mittel- und Osteuropa. Ziel war die Auflösung der Militärblöcke NATO und Warschauer Pakt und die Vereinigung des Kontinents auf friedlicher, demokratischer und sozialer Grundlage.

Doch die "Wende" von 1989 brachte nur das Ende eines Blocks: der Warschauer Pakt löste sich auf und die sowjetischen Truppen zogen sich aus Mitteleuropa zurück. Damals war noch die Chance für eine echte europäische Friedensordnung gegeben. Doch anstatt sich konsequenterweise aufzulösen (weil es den "Feind", gegen den sie 1949 gegründet wurde, nicht mehr gab), blieb die NATO als Instrument des neuen "Weltgendarmen" USA bestehen - nicht nur das, sie wurde 1999 sogar um Tschechien, Polen und Ungarn erweitert! Diese Länder wurden wenige Wochen nach ihrem Beitritt bereits in einen Krieg hineingezogen: in die Bombardierung Jugoslawiens, im Falle Ungarns immerhin ein Nachbarland.

In Österreich ist damals die Begeisterung für die NATO, die vorher schon denkbar gering war, noch weiter gesunken. Seit dem 11.September 2001 fühlt sich die NATO für militärische Eingriffe in der ganzen Welt zuständig - der Terrorismus kann ja, da er nicht konkret fassbar ist, überall sein...

Bundeskanzler Schüssel vergleicht die Neutralität mit Lipizzanern und Mozartkugeln, um sie gleich für antiquiert und überflüssig zu erklären. Sicher: Seit der Zeit Bruno Kreiskys hat sich viel geändert, das kann niemand bestreiten. Aber was heute im Zusammenhang mit der Erhaltung der Neutralität (die leider im letzten Jahrzehnt bereits sehr ausgehöhlt wurde, nicht nur von "schwarz-blau") wichtiger denn je ist, ist deren aktive Komponente: Denn nie war die Neutralität für Österreich ein Hindernis, an UNO-Friedensmissionen teilzunehmen! Und Kreisky's Nahost-Initiativen werden mittlerweile selbst in Israel positiver gesehen als zu seinen Lebzeiten, während die österreichische Außenpolitik heute auf gockel-artige Besuchs-Wettläufe zwischen Klestil und Schüssel herabgesunken zu sein scheint.

Unser Land braucht sich keineswegs "einzuigeln". Es gibt genug zu tun, um den Ursachen für den Terrorismus den Boden zu entziehen: z.B. eine Politik des fairen Ausgleichs mit dem Süden anstatt die Verteidigung einer auf Ausbeutung beruhenden Globalisierung, die Vermittlung in Konflikten (Österreich hat immer noch einen guten Ruf, der dabei hilfreich ist) statt Bemühungen für einen schrittweisen NATO-Anschluss, oder die Unterstützung der vielen lokalen Ansätze für Toleranz und Völkerverständigung - auch materiell: Mit dem Geld, das die Bomben kosten, die an einem einzigen Tag über Afghanistan abgeworfen wurden, könnte bereits eine ansehnliche "Friedensdividende" eingebracht werden. Nun kann der Westen zeigen, ob ihm wirklich an einem demokratischen und humanitären Aufbau Afghanistans etwas liegt. Bisherige Erfahrungen lassen allerdings ernste Zweifel aufkommen, ob diese Chance sinnvoll genützt werden wird.

Gerhard Jordan

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