Die Grünen

Mittwoch, 3. Dezember 2014

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"Bei meinen Wünschen für ein grünes Europa bin ich nicht bescheiden!"

19.04.2014 01:20

 

"Bei meinen Wünschen für ein grünes Europa bin ich nicht bescheiden!"

Interview mit Ulrike Lunacek, unserer Spitzenkandidatin bei den Europawahlen 2014

Warum braucht es deiner Meinung nach mehr Europa und nicht weniger?

Ulrike: Weil es für die großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, Klimawandel, Finanz- und Wirtschaftskrise usw., ein gemeinsames Handeln braucht. Diese können nicht von einzelnen Staaten, sondern nur im Verbund ange-gangen und wirksam bekämpft werden. Denken wir an die Flüchtlingstragödien im Mittelmeer: Die Staaten an den EU-Außengrenzen sind damit allein überfordert. Hier, wie in vielen anderen Bereichen, braucht es europäische Solidarität, mehr gemeinsames Europa. Bei den Sozialstandards, bei der Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit oder im Kampf gegen Steueroasen, bei der Lebensmittelkontrolle, bei der besseren Koordinierung von grenzüberschreiten-dem Verkehr, bei der Energiewende, beim Naturschutz … für das alles braucht es mehr gemeinsames Vorgehen, mehr Koordination, mehr EU. Gleichzeitig muss sich die Union nicht um alles kümmern. Da gilt es die richtige Balance zu finden, und wir Grüne haben dafür ein gutes Gespür.

Du bist eine große EU-Befürworterin, aber was stört dich an der gegenwärtigen EU-Politik und wohin sollte sich die Union deiner Meinung nach bewegen?

Ulrike: Die EU ist bei weitem nicht perfekt, das machen gerade wir Grüne mit unseren Forderungen für ein soziale-res, demokratischeres, ökologischeres Europa deutlich. Die Europäische Union muss wieder für ihre Bürgerinnen und Bürger geschaffen sein und nicht für die Gewinnmaximierung von Finanzmärkten und Großkonzernen. Die jungen Leute von heute, sind die erste Generation, die nicht mehr die Hoffnung auf eine bessere Welt und auf soziale Si-cherheit für sich und die Ihren vor Augen haben. Das wollen wir ändern! Das europäische Wohlfahrtssystem gehört wieder an die erste Stelle gerückt. Soziales soll in allen europapolitischen Bereichen einen zentralen Stellenwert er-halten. Und Europa braucht neben ambitionierten Klimazielen auch einen Grünen Investitionspakt für nachhaltige Entwicklung. Den Schwerpunkt eines solchen Paktes wollen wir auf der Energiewende, auf Ressourceneffizienz und auf einer grünen Wirtschaft legen. Dieser Pakt ist die größte beschäftigungspolitische Chance, die Europa hat.

Die letzten Jahre waren vor allem von der Wirtschafts- und Finanzkrise geprägt – was ist dein und der Plan der Grünen für einen Ausweg aus diesem Krisen-Modus?

Ulrike: Unsere Antwort ist so einfach wie eindeutig: Schluss mit dem Kaputtsparen und her mit einem grünen Inve-stitionspakt und einer Sozialunion. Die verheerenden Folgen der EU-Sparpolitik à la Merkel & Co. sieht man vor allem in Griechenland: Obdachlosigkeit, Prostitution, Drogen in einem Ausmaß wie nie zuvor und ein rasanter Anstieg der Kindersterblichkeits- und HIV-Rate. Auch die Jugendarbeitslosigkeit übersteigt in Griechenland, Portugal, Spanien, Zypern traurige Rekordmarken und ist in ganz Europa deutlich gewachsen.

Und nicht zu vergessen, diese Krise hat auch die politischen Defizite der Union schonungslos offen gelegt: Die nationalen Regierungen sind als Entscheidungsträger für das gemeinsame Europa ungeeignet: Sie sind zu langsam, immer zu spät, zu zögerlich und zu sehr auf den eigenen, kleinen, nationalen Schrebergarten fixiert. Es braucht neue europäische Akteure. Es braucht eine neue Bündelung der Kräfte. Deswegen verlangen wir einen Europäischen Kon-vent: Nur damit gelingt uns die Einführung einer handlungsfähigen und demokratisch legitimierten Steuerung Europas.

Und wie ein solcher Konvent aufgestellt sein soll, und wer da in einem offenen und transparenten Verfahren mit-zureden haben soll, ist auch klar: Die europäischen Bürgerinnen und Bürger, die europäische Zivilgesellschaft ge-meinsam mit den Vertreterinnen und Vertreten aus den nationalen Regierungen und Parlamenten.

An den Außengrenzen der EU spielt nach wie vor eine große Rolle, woher jemand kommt und ob er als Flüchtling kommt – wie soll die EU mit Flüchtlingen und AsylwerberInnen umgehen?

Ulrike: Der Tod von Hunderten Menschen vor Lampedusa hat vor Augen geführt, wie unmenschlich die europäische Flüchtlings- und Migrationspolitik ist. Die Abschottungspolitik der EU zwingt Menschen, die auf der Flucht oder auf der Suche nach einem würdigen Leben sind, sich in Lebensgefahr zu begeben. Eines muss uns aber klar sein: Mit den Flüchtlingen im Meer sterben die europäischen Werte. Die Mitgliedsstaaten und Frontex müssen die Rettung von schiffbrüchigen Flüchtlingen endlich zu einer Kernaufgabe des europäischen Grenzschutzes machen. Das Europaparlament fordert außerdem, dass Fischer und Kapitäne, die Flüchtlinge retten, dafür nicht mehr bestraft werden, wie es derzeit noch aufgrund der Gesetzeslage in Italien passiert.

Die Rettung von Flüchtlingen aus Seenot muss endlich zur Selbstverständlichkeit werden. Die Standards für Asylverfahren müssen in allen EU-Staaten umgesetzt werden und wir brauchen ein europäisches Gesetz zur legalen Ein-wanderung. Außerdem muss die EU endlich konkrete Schritte unternehmen, um die Lebensbedingungen der Men-schen in den afrikanischen Ländern zu verbessern und den Menschen dort Perspektiven zu geben. Außerdem bewei-sen die Flüchtlingskatastrophen erneut die Unzulänglichkeit des Dublin II-Systems, gemäß dem Flüchtlinge nur in dem Land, in dem sie zuerst EU-Territorium betreten, um Asyl ansuchen können.

Wie soll die EU in zehn Jahren ausschauen? Was soll und muss sich ändern und was können die Grünen dazu beitragen?

Ulrike:
Grüner, sozialer, demokratischer, solidarischer! Meine Vision von der EU in zehn Jahren ist: Die EU ist von ei-nem Konvent mit Beteiligung der europäischen Zivilgesellschaft demokratisch neu geformt worden. Die verschlossenen Türen, hinter denen Verhandlungen stattfinden, sind aus den Angeln gehoben. Der EU ist es gelungen, das Friedensprojekt Europa auf dem ganzen Kontinent umzusetzen – und als politisches Erfolgsmodell in die Welt zu exportieren. Die EU setzt weltweite Standards bei Bildung, Solidarität, humanitärer Hilfe und Menschenrechten. Die EU ist eine Sozialunion, die allen die gleichen Chancen bietet und niemanden auf der Strecke lässt. Die EU ist Vorreiterin bei Klimaschutz und erneuerbaren Energien – Atomkraft ist als Relikt einer überkommenen Zeit endgelagert. Und die EU ist zur Heimat für Europäerinnen und Europäer geworden, die die falsche Sehnsucht nach "guten alten" Nationalstaatszeiten obsolet macht. Diese Vision trägt eine klare Grüne Handschrift, damit sie umgesetzt wird, braucht es eine starke Grüne Fraktion im Europaparlament!

Ulrike Lunacek ist Vizepräsidentin und außenpolitische Sprecherin der Grünen Fraktion im Europaparlament.



 

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