Sich selbst in der Politik orientieren und sie mitbestimmen?
07.10.2010 02:49
Sich selbst in der Politik orientieren und sie mitbestimmen?
Geht das überhaupt, wo man über die Medien ständig mit divergierenden Meldungen konfrontiert wird und Kräfte im Hintergrund die Fäden ziehen, die für die meisten BürgerInnen nicht in Erscheinung treten? Wo jede Partei versucht, Erfolge auf die eigenen Fahnen zu schreiben und die Misserfolge den politischen Gegnern zuzuschieben? Wo das Aussparen der Wahrheit und das Lügen zum politischen Handwerk gehören? Wo Journalisten je nach eigenem Standort Negatives und Positives der Parteien vergrößern und verkleinern und so die Dinge verzerren, wobei auch das Prinzip nur „bad news are good news“ eine Rolle spielt? Macht es unter diesen Umständen überhaupt noch Sinn, zur Wahl zu gehen, wenn wir ohnehin ständig getäuscht werden und so viel über uns hinwegrollt, ohne dass wir es beeinflussen können?
Vielleicht ist es doch möglich, etwas Licht in diesen Nebel zu bringen. Wenn wir ein Thema aus verschiedenen Perspektiven betrachten, indem wir mehrere Zeitungen lesen, auch wenn sie etwas kosten und nicht gratis sind, wird sich unser Bild verändern, und gewisse Slogans, wie wir sie gerade in der Vorwahlzeit auf Plakaten lesen können, werden uns als populistische Phrasen erscheinen. Weiters können wir uns überlegen, welche Werte uns im Leben wichtig sind. Genügt es mir, für mich und meine Familie zu sorgen, so gut es geht, oder habe ich auch gesellschaftliche Perspektiven? Möchte ich, dass sich im Sinne der Menschenrechte noch einiges verändert in den verschiedenen Gesellschaften? Möchte ich, dass die nachfolgenden Generationen eine lebenswerte Umwelt vorfinden? Möchte ich, dass profitorientierte Wirtschaft immer mehr zu einer Wirtschaft für die Menschen wird? Möchte ich, dass Bildung fortlaufend an die Erfordernisse einer sich ständig verändernden Gesellschaft angepasst wird? Nach einer solchen Standortbestimmung können wir den Kreis etwas enger ziehen und den Blick auf unsere Stadt und unseren Bezirk richten. Was von dem, was hier geleistet wurde, bewerte ich als positiv, welche Partei und welche Bürger/innen haben es angeregt, welche Kräfte haben es schließlich durchgeführt und von welcher Partei fühle ich mich im Hinblick auf zukünftige Ziele am besten vertreten? Da wir in einem demokratischen Staat leben, werden die Antworten auf diese Fragen verschieden ausfallen, Demokratie beruht schließlich auf dem Zusammenspiel verschiedener politischer Parteien.
Macht es nun Sinn, trotz der manchmal frustrierenden, politischen Realität wählen zu gehen? Vergessen wir nicht, dass es das allgemeine Wahlrecht in Österreich erst seit 91 Jahren gibt! Das ist sowohl für Bürger/innen als auch für Politiker/innen ein zu kurzer Zeitraum, um den Umgang damit ausreichend gelernt zu haben. Aber wir haben durch die Verfassung und die periodisch stattfindenden Wahlen ein Mittel in die Hand bekommen, auf demokratische Art politische Wechsel herbeizuführen. Ein Blick in diktatorisch regierte Länder zeigt uns, wie wichtig diese Möglichkeit ist. Nehmen wir Wahlen nicht wichtig und verzichten wir, daran teilzunehmen, lassen wir andere über uns bestimmen.
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