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Mittwoch, 3. Dezember 2014

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Gedenkstunde auf dem Irene-Jerusalem-Weg

28.07.2009 23:35

 

Gedenkstunde auf dem Irene-Jerusalem-Weg

Gegenüber von 1130 Wien, Kalmanstraße 45, führt ein breiter, kurzer Weg zum Lainzer Bach. An dieser Stelle fand am 19. Juni 2009 um 11 Uhr eine Benennungsfeier statt, denn dieser breite, angerförmige Weg wurde auf Anregung der Hietzinger Grünen nach Prof. Irene Jerusalem benannt, die in Hietzing wohnte, viele Jahre am Gymnasium Wenzgasse unterrichtete und 1941 von den Nazis in Lodz ermordet wurde.

Dass sie eine außergewöhnliche Lehrerin war, konnten wir bei dieser Feier von der 87-jährigen Hertha Bren erfahren, die ihre Schülerin gewesen ist, und aus Briefen und Texten weiterer Schülerinnen, die nicht mehr am Leben sind. Hertha Bren betonte, dass Irene Jerusalem eine besondere Vortragsgabe hatte, ZuhörerInnen fesseln konnte und als Pädagogin die Bedürfnisse der einzelnen Schülerinnen wahrnahm. Die bereits verstorbene Mila Kars, die 1980 eine Gedenktafel für die verehrte Lehrerin im Gymnasium Wenzgasse anbringen ließ, schreibt in einem Brief, dass sie und ihre Mitschülerinnen manche ihrer Worte erst später verstanden hätten, weil sie in der Gymnasialzeit noch zu jung dafür waren.  

Irene Jerusalem unterrichtete aber nicht über die Köpfe hinweg, sondern bemühte sich, den Lehrstoff in einen Bezug zum Leben der Schülerinnen zu bringen. So unternahm sie einen Lehrausgang in eine Glockengießerei, als Schillers „Lied an die Glocke“  Thema im Unterricht war. Auch auf andere Weise griff sie über die Mauern des Schulhauses hinaus, wie Hertha Bren berichtete. Sie trug viel dazu bei, dass in den Räumen des Wiener Settlements in Ottakring ein Heim eingerichtet wurde, in welchem Mädchen, die vom Land kamen und arbeitslos auf der Straße standen, Aufnahme fanden und Fortbildungskurse besuchen konnten. Die Mittel hiefür kamen u.a. auch von den Schülerinnen der Wiener Mädchenmittelschulen, die monatlich einen kleinen Beitrag leisteten. Irene Jerusalem führte Klassen der Wenzgasse zu Gesprächsrunden in dieses Heim.




Die ehemalige Schülerin von Irene Jerusalem, Frau Hertha Bren, erinnert sich.




Erwin Jerusalem, Irenes Großneffe, sprach bei der Benennungsfeier über das familiäre und geistige Umfeld seiner Großtante. Irenes Vater Wilhelm Jerusalem war Philosophieprofessor an der Wiener Universität, ein Bruder war Historiker, der zweite Bruder, Erwins gleichnamiger Großvater, Jurist. Trotz dieser konzentrierten Intellektualität bestimmten nicht Abgehobenheit, sondern Humanität, Toleranz und soziale Verantwortung die geistige Atmosphäre dieser Familie. Als Erwin Jerusalem seinem Vater gegenüber einmal das Wort Prolet in den Mund nahm, wurde er nachdrücklich zurechtgewiesen und auf die soziale Situation solcher Menschen aufmerksam gemacht. Erwin Jerusalem, der die israelische Politik den Palästinensern gegenüber kritisch beurteilt, meinte, dass auch seine Großtante, hätte sie diese Politik erlebt, ähnlich gedacht hätte. Dazu passt die Frage Irene Jerusalems, die sie Hertha Bren gegenüber im letzten Gespräch 1941 besorgt stellte: „Wie werden wir uns verhalten, wenn wir die Sieger sind?“

Erwin Jerusalem bei seiner Ansprache

Zwanzig Personen haben an dieser Feier teilgenommen, darunter außer den bereits Genannten und den Hietzinger Grünen Bez.vorst.stellv. Dorothea Drlik, Grün-Gemeinderätin Susanne Jerusalem, Elisabeth Ben David–Hindler („Steine der Erinnerung“) und ehemalige Schülerinnen der Wenzgasse aus den Maturajahrgängen 1941, 1958, 2007. Bedauerlicherweise ist trotz Einladung an die Direktion kein/e aktuelle/r Vertreter/in der Wenzgasse zu dieser Feier erschienen, bei der Schüler/innen hätten erfahren können, welch außerordentliche Persönlichkeit und Lehrerin einmal an ihrer Schule unterrichtet hat. Irene Jerusalem hat schon damals versucht, Schule und Leben zu verbinden und in den Schülerinnen das Bewusstsein für gesellschaftliche Verantwortung zu wecken. In diesem Sinne hat das Gymnasium Wenzgasse durch die Nicht-Teilnahme an dieser Feier eine Chance verpasst.


Früherer Bericht aus dem Archiv.
Grüner Antrag zur Benennung.



 

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